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„Kaputte” Nachbarschaft

Data publikacji: 31 stycznia 2019 r. 13:39
Ostatnia aktualizacja: 31 stycznia 2019 r. 13:39
„Kaputte” Nachbarschaft
Leerstelle in Berlin-Mitte an der repräsentativen Allee Unter den Linden, wo sich einst das Gebäude der polnischen Botschaft befand. 1999 bekam die Botschaft vorübergehend einen anderen Sitz fern vom Zentrum, wo sie sich bis heute befindet. Warschau kündigte viele Male den Bau eines neuen Gebäudes an, verschiedene Regierungen gaben verschiedene Eröffnungsdaten an: 2001, 2012, 2016, 2019… Am früheren Sitz der Botschaft kommen jeden Tag tausende Menschen vorbei. Fot. Krzysztof RUCHNIEWICZ  

Zum ersten Mal in der Geschichte der zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen haben wir es mit der Situation zu tun, dass sich polnische Politiker im Ausland anders über die westlichen Nachbarn äußern als im eigenen Land. In letzter Zeit wurden verschiedene Vorwürfe gegen Berlin bekräftigt. Es schien sogar, dass die für den Herbst 2018 geplanten zyklisch stattfindenden Regierungskonsultationen abgesagt würden. Es geschah dann doch nicht, aber das schwache Ergebnis des Treffens ist ein weiteres Zeichen für den Zusammenbruch der Beziehungen zwischen den beiden Hauptstädten. Von den großen gemeinsamen Projekten der letzten Jahre ist wenig geblieben und man gewinnt den Eindruck, dass keiner dem anderen mehr etwas anzubieten hat. Ein Vierteljahrhundert sehr guter Kontakte und historischer Annäherung – wie die polnisch-deutschen Beziehungen seit 1989 beschrieben wurden – nimmt ein überraschendes Ende. Wie sieht eine „kaputte” Nachbarschaft in der Zukunft aus?

„Kaputte Nachbarschaft” – das mag übertrieben erscheinen. Wirklich? Man sollte fragen, was genau an dem heutigen Zustand auf welche Faktoren zurückzuführen ist: Welche übersteigen Polens Einfluss, was geht auf unser uni- oder bilaterales Handeln zurück? Das Ganze erinnert an eine alte Karikatur von Andrzej Mleczko, in der Gott wie ein boshafter Schöpfer Polen zwischen Deutschland und Russland platziert und dies für einen guten Witz hält. Die geopolitische Lage Polens ist jedoch heute nicht dieselbe wie in früheren Jahrhunderten, auch wenn manche Politiker dies meinen und dementsprechend die polnische Außenpolitik gestalten wollen.

Vor nicht allzu langer Zeit schien es noch, der Fatalismus in der Selbstwahrnehmung der Lage Polens sei überwunden. Nach dem politischen Umbruch von 1989 unterzeichneten Polen und Deutschland Verträge, mit denen bilaterale Beziehungen für die nächsten Dekaden abgesteckt wurden. Betonen sollte man immer wieder, dass Deutschland Polens Bemühungen um einen NATO- und einen EU-Beitritt aktiv unterstützte. Natürlich haben die Deutschen dies im eigenen Interesse getan, aber auch im polnischen und europäischen. Allein für Berlins politischen und wirtschaftlichen Vorteil wären viele dieser Maßnahmen entbehrlich gewesen.

Das 1991 gegründete Weimarer Dreieck sollte ein eigenes Labor werden, um die Rolle Polens neu zu definieren. Mit der verstärkten Zusammenarbeit zwischen Warschau, Berlin und Paris wurde Polen geradezu demonstrativ in den Westen geschoben. Die Kontakte zwischen den Gesellschaften haben sich intensiviert, wobei Deutsch-Polnische Gesellschaften, Städtepartnerschaften, Jugendzusammenarbeit, Kultur- und Wissenschaftsaustausch usw. wichtige Inspirationsquellen waren. Auf der zivilgesellschaftlichen Ebene besteht weiterhin eine gute Nachbarschaft.

Verankerung in Europa?

Der Beitritt Polens zur EU sollte quasi auf ewig unsere Verankerung im Zentrum eines demokratischen, liberalen und wohlhabenden Europas sichern. Polen begann sich in Zusammenarbeit mit den anderen Staaten der EU zu entwickeln und die Beziehungen zu seinen Nachbarn, insbesondere zu Deutschland, zu stärken.

Warschau hat diese Chance voll genutzt, wurde zu einem wichtigen Akteur, bestimmte die Zukunft des Alten Kontinents mit und fungierte als Vermittler in Konflikten. Sicherlich wurden nicht alle Ziele erreicht, nicht überall war die Stimme Warschaus entscheidend, aber die Politik welchen Landes erfüllt schon alle Programme und Pläne?

Die Bilanz aber war für uns Polen positiv. Polens Errungenschaften wurden möglich dank einer kohärenten Innen- und Außenpolitik. Eine wichtige Rolle spielten auch die persönlichen Kontakte zwischen polnischen und ausländischen Politikern. Es liegt in der Natur der Sache, dass die deutsch-polnischen Beziehungen etwas in den Hintergrund getreten sind, zugunsten von multinationalen Beziehungen, die in veränderten Konstellationen der EU-Staaten entwickelt wurden. Trotzdem blieb Berlin immer ein wichtiger Bezugspunkt und Mitstreiter bei verschiedensten Aktivitäten, an denen auch Warschau beteiligt war.

„Guter Wandel”

Nach 2015 allerdings hat Warschau die Rolle des flexiblen Spielers, der als Partner in europäischen Initiativen galt, aufgegeben. Dies geschah nicht infolge besorgniserregender Misserfolge, sondern ging auf die Entscheidung der neuen Regierung zurück. Was bislang als Erfolg, zumindest aber als profitables Geschäft galt, wurde nun als unvorteilhaft, als Fehlschlag, sogar als Demütigung dargestellt. Der Tatsachen zum Trotz wurden alternative europäische Trugbilder gesponnen (ein Beispiel dafür ist die aus der Mottenkiste gekramte Idee eines „Międzymorze”, also eines Staatenverbands vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee unter polnischer Führung). Und in offiziellen Äußerungen stellte man die Errungenschaften der europäischen Gemeinschaft und die langjährige Mitgliedschaft Polens darin infrage.

Man gewinnt den Eindruck, die Politiker der Regierungspartei haben den Wahlkampf, in dem sie auf die Euroskeptiker ein Auge geworfen hatten, bis heute nicht beendet. Immer dreister fechten sie den Wert der europäischen Integration an. Nationale und sogar nationalistische Rhetorik färbt fast alle offiziellen Erklärungen. Man betont die polnische Würde, die von anderen Staaten nicht genügend geachtet werde, wobei man dies von historischen Themen auf die Gegenwart überträgt. Begrifflichkeiten wie der „Wiederaufbau Polens aus Ruinen” oder das „Sich aus den Knien erheben” begleiteten jegliches Regierungshandeln Warschaus. Oft nahm es karikaturhafte Formen an und gefährdete das Ansehen des Staates unnötig.

Im Sturm wurden Experteninstitutionen erobert und Stiftungsräte neu besetzt, die Mittel für deutsch-polnische Projekte gewähren. Antideutsche Töne bei offenen Auftritten kamen in Mode und zeugen nicht so sehr vom ungestillten Verlangen nach Würde und Handlungsmacht in den Beziehungen mit dem westlichen Nachbarn, als vom tiefen Minderwertigkeitkomplex eines Teils der polnischen Politikerszene und gewisser Wissenschaftlerkreise.

Mediale Propaganda

Diese tiefen und, wie es scheint, irreversiblen Veränderungen gingen mit einer verstärkten medialen Propaganda einher. Schnell wurden, wie wir meinten, längst begrabenene Dämonen der Vergangenheit geweckt. Die Geschichte ist wieder zu einem Instrument der aktuellen Politik geworden, wie unter anderem die Frage der Nachkriegsreparationen zeigt, die mit Berechnung angebracht wird – ohne die geringste Überzeugung, dass die Sache jenseits aktueller Politik Sinn macht. Um das Staatshandeln zusätzlich zu stärken und angeblichen Manipulationen entgegenzuwirken, wurde das IPN-Gesetz geändert: Zwischenzeitlich stand es unter Strafe, Polen eine Mitschuld am Holocaust zuzuschreiben. Dies stieß auf berechtigten Widerspruch vonseiten Israels und der USA.

Immer wieder beweisen Politiker aus dem Regierungslager, dass Deutschland für sie ein genehmer „Prügelknabe” ist. Ein Beispiel war die Behauptung, dass Berlin Einfluss auf die polnischen Kommunalwahlen 2018 mithilfe von Medien nichtpolnischer Eigentümer ausübt. Die Kämpfer an dieser Propagandafront sind seit Jahren für ihre Deutschland-Phobien – und nur dafür – bekannt. Dass die meistgelesene Tageszeitung, dass ein beliebtes Wochenmagazin und ein häufig gesehener Fernsehsender nichtdeutschen Inhabern gehört, wird verschwiegen. Das Verhalten gegenüber Angela Merkel durch einige Politiker und Journalisten ist unangemessen.

Monolog statt Dialog

Noch bis vor kurzem bezeichnete man die deutsch-polnische Nachbarschaft als reif, Dutzende gemeinsame Projekte füllten die vergangenen Jahre. Doch die Regierungskonsultationen 2016 zeigten bereits, dass von den Kontakten zwischen den Hauptstädten nicht viel geblieben ist. Damals beschlossen Berlin und Warschau lediglich das Deutsch-Polnische Schulbuch zu fördern (in Arbeit seit 2006) und eine Schule für syrische Flüchtlinge zu bauen. Das Schulbuch kam heraus, aber die Veränderungen im polnischen Bildungssystem lassen Zweifel, ob es überhaupt im Unterricht eingesetzt werden kann. Und die erwähnte Schule für jene Kinder, die sie so sehr bräuchten – ist sie entstanden?

Die letztjährigen Konsultationen, die bereits zum 15. Mal stattfanden und zwar – Nomen est Omen – am 2. November, dem Allerseelen-Tag, endeten ohne Ergebnis. Etwas wurde gesagt, Fotos gemacht. Wie erbärmlich das Treffen gewesen sein muss, davon zeugt ein Eintrag auf der Website des polnischen Premierministers, der nur leere Phrasen enthält. Während der Gespräche wurde kein einziges für beide Staaten wichtiges Problem angegangen, das man in den kommenden Jahren lösen könnte. Auch die Erklärung der Außenminister fiel blass aus. In der Diplomatie ist ein solcher Umgang mit gemeinsamen Angelegenheiten Grund zu großer Sorge um die Zukunft der gegenseitigen Beziehungen.

Bequeme Positionen

Sollte das wundern? Die polnische Seite kann sich verschanzen hinter dem deutschen Standpunkt zur Gaspipeline Nord Stream und die deutsche Seite kann vermuten, dass ein Polen mit „mangelnder Rechtstaatlichkeit” keine Zusammenarbeit will. Im Grunde genommen für beide Seiten eine bequeme Lage, die zu keinerlei konkreten Schritten zwingt und von der man innenpolitisch profitieren kann (vor allem in Polen).

Zu den bestehenden bilateralen (teilweise „imaginären”) Problemen könnten bald neue kommen. Vor kurzem entstand eine neue Parlamentariergruppe, die den deutsch-polnischen Vertrag vom 17. Juni 1991 untersuchen soll. Auf ihrer Agenda findet sich auch das Problem des Polnischunterrichts in Deutschland und des Polnischen Hauses in Bochum. Soll allein durch diese beiden Fragen das Vermögen des Vertrags und allgemein der deutsch-polnischen Nachbarschaft betrachtet werden? Die Einberufung der Parlamentariergruppe würde ich noch als das Begehren interpretieren, den 30. Jahrestags der Vertragsunterzeichnung vorzubereiten. Doch seine Zusammensetzung zeigt, dass es nicht darum geht.

Unsere Verantwortung

Das Beispiel der vom polnischen Parlament berufenen parlamentarischen Arbeitsgruppen zu Fragen der Kriegsreparationen und des Nachbarschaftsvertrags ist bedeutend. Wie kann man sich erklären, dass kein einziger Oppositionspolitiker darin vertreten ist? Sind die deutsch-polnischen Beziehungen für sie nicht mehr wichtig? Stellt sie die Rolle des externen Kritikers, der sich von Zeit zu Zeit vor einer Fernsehkamera äußert, zufrieden? Oder will die Opposition lieber weiter zusehen, wie die Anstrengungen tausender Menschen zunichte gemacht werden, die sich für bessere Beziehungen zu unserem westlichen Nachbarn eingesetzt haben? Hoffen sie, dass dies die gegenwärtige polnische Regierung weiter kompromittiert?

Das ist auch eine Frage an mein eigenes Umfeld: Haben wir zu schnell die Entwicklung des „Guten Wandels” mit seiner antideutschen Stoßrichtung akzeptiert?

Der zu Beginn dieses Textes erwähnte Karikaturist zeigte den Fatalismus der geopolitischen Lage Polens zwischen zwei mächtigen und uns widerstrebenden, oft auch feindseligen Staaten. Aber sagen wir es noch einmal: Wir haben jetzt keinen Feind jenseits der Oder. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir dort einen Partner haben, der für immer vom Gepäck „historischer Schuld” beschwert sein wird. Wenn man die Politik Warschaus beobachtet, kann man den Eindruck gewinnen, dass man genau das offenbar möchte (möchten wir das?), weil die Außenpolitik dann einfacher wäre – zumindest hätte es den Anschein – und das eigene Verlangen bediente, jemand besseres und edleres zu sein.

* * *

Die deutsch-polnischen Beziehungen unserer Zeit durchlaufen erst jetzt eine echte Prüfung. Sind sie reif oder schon vor der Reifung „kaputt”?

Der Test besteht allerdings nicht nur darin, dass wir die Deutschen (und ihre Geduld) testen, oder dass nur unsere Fähigkeit zur Außenpolitik getestet wird.

Und noch etwas: es ist schwer, eine Prüfung zu bestehen, wenn man nicht weiß, was das Ziel ist und was nach der Prüfung kommen soll. Denn auf einen Geldregen aus Kriegsreparationen braucht man nicht zu warten.

Krzysztof RUCHNIEWICZ

Historiker, Professor, Direktor des Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien der Universität Wrocław

Aus dem Polnischen von Nancy WALDMANN

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